Hormone im deutschen Leitungswasser: Eine unterschätzte Gefahr?

Leitungswasser ist in Deutschland eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel. Es gibt sogar eine Trinkwasserverordnung, in der Qualitätsstandards und dergleichen festgelegt sind. Trotzdem gibt es viele Berichte über hormonelle Rückstände im Trinkwasser. Sind wirklich Hormone in unserem Wasser? Wie gelangen sie ins Wasser? Und hilft es, das Wasser vor dem Konsum abzukochen?

 

Wie kommen Hormone ins Leitungswasser?

Wenn man von “Hormonen im Leitungswasser” spricht, ist mit "Hormonen" eigentlich zu 99% hormonaktive Substanzen gemeint.

Es gibt verschiedene Gründe, wie sie in unser Trinkwasser gelangen:


Weiblicher Urin:

Durch die Anti-Baby-Pille gelangen Hormone wie Östrogen über die natürliche Ausscheidung ins Abwasser. Dieses läuft in eine Kläranlage und wird gefiltert. Das Problem ist, dass Hormone wie Östrogen, Gestagen oder Testosteron nur unvollständig und schwierig gefiltert und abgebaut werden können. Das Umweltbundesamt hat in einer Studie die Zunahme der Verbrauchsmengen von 2002-2009 beobachtet. Allein die Belastung des Leitungswassers durch die Hormone der Anti-Baby-Pille ist in diesen Jahren von 12.33 kg auf 13.697 kg gestiegen.

Falsche Medikamentenentsorgung:

Auch Medikamente werden häufig falsch entsorgt und zum Beispiel in der Toilette heruntergespült. Dadurch gelangen diese Wirkstoffe ins Abwassersystem und langfristig auch ins Leitungswasser. Daher sollten Medikamente im Hausmüll entsorgt oder in der Apotheke zurückgegeben werden.


Alterung der Gesellschaft:

Der demografische Wandel spielt ebenfalls eine Rolle. Denn ältere Menschen benötigen deutlich mehr Medikamente als junge Menschen. Man schätzt, dass etwa die Hälfte der von ihnen ausgeschiedenen Wirkstoffe und Substanzen schädlich sind. Dadurch, dass es in Deutschland deutlich mehr alte als junge Menschen gibt, gelangen (hormonell wirksame) Medikamente über die natürliche Ausscheidung ebenfalls in das Abwassersystem.


Chemische Industrie:

Aus Kosmetika, Tierarzneimitteln, Pestiziden und Weichmachern oder Härtern aus der Plastikindustrie gelangen "Hormone" ins Grund- und somit ins Trinkwasser. Durch die Entwicklung der Industrie in den letzten 200 Jahren ist diese Belastung immer größer geworden.

 

 

Good to know: 

Hormonaktive Substanzen sind körperfremde Stoffe, die den körpereigenen Hormonen jedoch äußerlich ähneln. Sie können die Wirksamkeit der körpereigenen Hormone beeinflussen, sie verstärken oder blockieren.

 

 

Gesundheitliche Folgen durch hormonaktive Substanzen

Da es bislang keine Langzeitstudien zu den Folgen von hormonaktiven Substanzen im Leitungswasser gibt, sind die gesundheitlichen Auswirkungen schwer einzuschätzen.

Zudem sind Hormone oder hormonaktive Substanzen in diesen Maßen schwer nachweisbar. Ein Liter bereits geklärtes Wasser enthält ungefähr 100 Nanogramm Hormone.
“Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, und doch sind diese Hormone in solchen Konzentrationen wirksam” (Andrea Schäfer, Prof. für Membrantechnologie am Institut für funktionelle Grenzflächen).

Es ist außerdem davon abhängig, wie regelmäßig und stark man den Rückständen ausgesetzt ist. Jedoch geht man davon aus, dass diese Belastung Hormonstörungen und Unfruchtbarkeit begünstigen können und auf die Herz- & Lebergesundheit negative Auswirkungen haben kann.


Folgende körperliche Auswirkungen können mit hormonaktiven Substanzen in Verbindung gebracht werden:

  • Verfrühte Pubertät
  • Hormonelle Störungen
  • Störung der Schilddrüsenfunktion
  • Unfruchtbarkeit
  • Fehlbildungen der Geschlechtsorgane
  • Brustkrebs
  • Verminderte Spermienqualität
  • Hodenkrebs
  • Störungen des weiblichen Zyklus
  • Verstärkung von Insulinresistenz und Laktoseintoleranz

 

Good to know: 
Besonders gefährdet sind Schwangere, Neugeborene und Kinder, da ihr endokrines System noch in der Entwicklung ist und daher anfälliger für Störungen ist. Darüber hinaus können hormonaktive Substanzen auch die Umwelt negativ beeinflussen, indem sie zum Beispiel das Geschlechterverhältnis (weiblich zu männlich) von Fischarten beeinflussen und das ökologische Gleichgewicht stören.



Hormone aus dem Wasser entfernen

Die Frage, wie wir Hormone aus dem Leitungswasser entfernen können, liegt nahe. Hier sind einige gängige Methoden und neue Forschungsergebnisse:


Hilft es, das Wasser abzukochen?

Das Abkochen von Wasser kann einige Krankheitserreger abtöten, ist jedoch keine zuverlässige Methode, um Hormone zu entfernen. Hormone sind chemisch stabil und bleiben bei hohen Temperaturen intakt.


Neue Forschungsergebnisse: Ist die Membrantechnologie die Lösung?

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat gemeinsam mit dem Institut für funktionelle Flächen (IFG) eine neue und effiziente Lösung gefunden, diese Hormone aus dem Wasser zu filtern. Dazu wird das Wasser durch eine Semipermeable-Membran gefiltert, in der Aktivkohle eingebaut ist. Das neue Verfahren hat einen großen Vorteil: Klärwerke und Industrieunternehmen werden diese Filtermethode ebenfalls nutzen können. (Mehr zu der neuen Technologie)

 


Unsere Empfehlung

Da es als Privatperson schwierig ist, das Leitungswasser zu Hause auf Hormone zu testen, kommen hier unsere Empfehlungen, wie du dein Wasser am besten von Hormonen entfernst.


Trinkwasserfilter:

Ein hochwertiger Trinkwasserfilter mit Aktivkohle kann eine gute Investition sein, einfach und effektiv die hormonwirksamen Substanzen aus deinem Leitungswasser zu entfernen.
Hormonaktive Produkte reduzieren: Achte beim nächsten dm-Besuch darauf, dass Kosmetikprodukte, Reinigungsmittel und co. frei von BpA & Mikroplastik sind.


Richtige Medikamentenentsorgung:

Da wir von einem Wasserkreislauf sprechen, entsorge deine nicht mehr benötigten Medikamente im Hausmüll (Restmüll) oder gib sie in der Apotheke ab.

 

 

Quellen:

Tagliavini, M; Schäfer, A. (2018) Removal of steroid micropollutants by polymer-based spherical activated carbon (PBSAC) assisted membrane filtration. In: Journal of Hazardous Materials. Seiten 514-521.

Umwelt Bundesamt für Mensch und Umwelt. (2011). Zusammenstellung von Monitoringdaten zu Umweltkonzentrationen von Arzneimitteln.

Umwelt Bundesamt für Umwelt und Naturschutz. (2001). Hormonaktive Substanzen im Wasser- Gefahr für Gewässer und Mensch. Hier verfügbar. Abgerufen am 26.09.2023.

Roth, D. (2022). Hormone im Leitungswasser: Deutsche Forscher entwickeln neues Filterverfahren. Hier verfügbar. Abgerufen am 26.09.2023.

WasserAnalsye. Hormone im Trinkwasser abkochen- Was passiert? Hier verfügbar.  Abgerufen am 26.09.2023.

Maurer, C. (2022). Hormone im Trinkwasser bzw. Leitungswasser. Hier verfügbar. Abgerufen am 26.09.2023.

test wasser . Hormone im Trinkwasser- Verbraucher verunsichert. Hier verfügbar. Abgerufen am 26.09.2023.

 

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